In einem kleinen Konstanzer Stadtteil, an dem die Sonne am schönsten scheint und die Traube am lieblichsten wächst, liegt das Zuhause des Rebengeistes.
Die Aufgabe des Rebengeistes war es, die Weinberge vor den gierigen Vögeln und den wütenden Unruhestiftern zu schützen.
Aus diesem Grund trug er immer ein Horn bei sich, das, wenn er in es hineinblies, einen solch ohrenbetäubenden Lärm von sich gab, dass jeder, der etwas Böses im Schilde führte, schnell Reißaus nahm. Aber das Horn diente dem Rebengeist nicht nur als Hilfe für den Schutz der Weinberge. Er konnte sich durch das Horn auch mit seinen Kameraden verständigen und den Beginn der fünften Jahreszeit ausrufen.
Doch eines Tages betrat ein Winzer die Weinberge. Er sah für den Rebengeist nicht weiter gefährlich aus, eher wie ein Spaziergänger, der ab und an eine der süßen Trauben naschte.
Aber da sollte sich der Rebengeist schwer getäuscht haben. Denn der Winzer fand Gefallen an dem vollmundigen Geschmack der Traube, so dass er, als die Nacht hereinbrach, alle Trauben in Windeseile pflückte und nicht ein einziges Träubchen an der kleinsten Rebe hängen blieb.
Seine Ernte machte er zu Wein, der jedermann mundete – nur nicht dem Rebengeist. Dieser ging wutentbrannt auf den Winzer los und sie lieferten sich einen wilden Kampf. Durch den Lärm machten sie nicht nur alle Tiere der Umgebung scheu, sie zogen auch sämtliche Blicke auf sich, auch die des Bacchus, dem Gott des Weines.
Dieser war sehr über den Streit verwundert, da es sich doch dabei um ein so himmlisches Tröpfchen handelte. So beschloss er Frieden zwischen dem Winzer und dem Rebengeist zu stiften und ließ sie beide an einen Tisch sitzen. Feindselig saßen die beiden sich gegenüber, doch Bacchus gab beiden einen Krug voll mit dem göttlichen Wein und ließ sie ein auf das andere mal, immer und immer wieder anstoßen, bis sich die Mienen der beiden aufhellten und sie schließlich Arm in Arm, den Krug nicht aus den Händen lassend, nebeneinander saßen und lachten.
So beschlossen sie, dass der Winzer gerne, jedes Jahr aufs Neue, die süßen und lieblichen Trauben pflücken und daraus den vollmundigsten Wein machen durfte und im Gegenzug dessen, der Rebengeist so viel er nur wollte von dem himmlisch lieblichen Tröpfchen trinken durfte. So schlossen sie ein enges Band der Freundschaft. Der Rebengeist bewachte weiterhin die Weinberge und der Winzer schenkte ihm dafür den Wein.
Aber der Rebengeist konnte einfach nicht die Finger von dem göttlichen Trank lassen. Und daher rührt auch das trunkenboldige Aussehen des Rebengeistes.